Ansprache zum Volkstrauertag

Gedanken zum Volkstrauertag

Der Volkstrauertag ist ein Tag des Gedenkens und der Mahnung. Aus den Unbillen eines Krieges heraus kommt undenkliches Leid über die Beteiligten. Und auch über die Unbeteiligten. Vorsicht wurde zu Misstrauen, Furcht zu Angst. Kriegsveteranen berichten davon, dass sie irgendwie immer alarmiert waren, keine Entspannung fanden, ewig auf der Hut ...

Heute, mehr als 70 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, kennt die junge Generation in Deutschland dieses Gefühl, immer auf der Hut sein zu müssen, gar nicht mehr. Vielmehr sorgte das Fehlen von Auseinandersetzungen und der Frieden für ein Gefühl der Ruhe und auch der Zufriedenheit. Kriege, wenn sie denn stattfanden, waren weit weg auf der Weltkugel, eine direkte Beteiligung gab es quasi nicht. Und so auch kaum eine Betroffenheit. Die Angst vor dem atomaren Wettrüsten, davor, zwischen zwei mächtigen Fronten zum stehen, ungeschützt ... auch diese Angst liegt der jungen Generation fern. Glücklich und vertrauensvoll blicken sie in die Welt.

Aber nun scheint das Gleichgewicht gestört zu werden. Es bilden sich wieder Fronten. Klar sichtbar. Provoziert. Herbeigeredet. Geschürt. Man muss den Eindruck gewinnen, dass die Diplomatie der Erkenntnisse, auf die Jahrzehnte lang selbstverständlich gebaut werden konnte, an vielen Stellen in der Welt weggepackt wird. Es wird schonungslos verhandelt, es werden Ultimaten gestellt, der Welthandel ist derzeit Schauplatz gnadenloser Feldzüge, Rochaden und auch von vergeltenden Antworten. Wer ist dieser selbstgerechte Herrscher, der sich aufspielt? Wir sind auf einmal vorsichtig und voreingenommen vor den Gedanken und Tweets des amerikanischen Präsidenten - Moment einmal, das war bisher der weltpolitische Part einiger afrikanischer Diktatoren und vielleicht noch des ewig zwielichtigen russischen Präsidenten. Ein neuer Akteur - wir beobachten. Vorsichtig und und ungläubig zunächst, mittlerweile misstrauisch ...

Er scheut sich nicht zu fordern. Er scheut sich nicht zu lügen. Er scheut sich nicht zu provozieren. Nach nunmehr fast 2 Jahren seiner Präsidentschaft haben wir uns an seinen Stil gewöhnt ... Wie bitte? Daran gewöhnt? Wir nehmen das moralisch verwerfliche Handeln hin? Na ja, er hat ja für die Wirtschaft der USA viel erreicht ... aber rechtfertigt dies seine verstörende Art? Eigentlich nicht, sagen sie? Seien wir mal besser auf der Hut.

Wir erleben heute nicht nur auf der großen weltpolitischen Bühne die scharfe Wortwahl. Wir erleben diese auch im eigenen Land. Politiker auf allen Ebenen formulieren forsch und diskreditieren den Gegner. Man positioniert sich auf Kosten des Gegenübers und überschreitet wissentlich die Grenzen des Anstands. Die Herren Höcke und Gauweiler sind hier sicherlich ganz weit vorne zu benennen, aber auch andere Politiker scheuen diesen Weg nicht. Gerade an einem Tag wie dem heutigen müssen wir innehalten und aussprechen: „Wehret den Anfängen!“

Derjenige, der aus Verlegenheit oder Müdigkeit seinem Frust einfach mit einem entsprechenden Wahlkreuzchen Luft macht, der denkt zu kurz oder gar nicht. Ein Denkzettel ist etwas anderes. Der Denkzettel muss einen politisch-kritischen Diskurs umfassen, aber keine Verlegenheit. HIER gilt es, auf der Hut zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Volkstrauertag ist ein weltlicher und auch ein politisch gewollter Gedenktag. Nehmen wir uns ein Beispiel an dem, was wir nie wieder erfahren wollen. Denken wir an uns und an unsere Kinder, die wir Frieden erfahren dürfen. Arbeiten wir daran, dass aus Misstrauen wieder Vertrauen wird; Vertrauen muss man sich erarbeiten. Gedenken wir derer, die heute und auch bis vor 70 Jahren die schlimmen Kriegsfolgen tragen mussten und uns trotzdem oder gerade deswegen Furcht und Angst genommen haben, um die Welt friedlich zu machen. Gedenken wir Ihnen still ...